#Einzelfall
Gestern wurden in einer Twitter Diskussion verschiede Behauptungen aufgestellt, mit denen ich nicht wirklich einverstanden bin. Da ich meine Zeit am Ostermontag lieber mit Freunden verbrachte, anstatt auf Twitter zu diskutieren möchte ich diese Behauptungen heute aufgreifen und Meine Sicht der Dinge dazu darstellen.
Einzelfälle und Köln
So wurde auf den Twitter Account @XYEinzelfall und auf Kölner Polizei verwiesen und damit die Behauptung in den Raum gestellt, Flüchtlinge seien generell kriminell.
@HerrSchwarz1 über fehlende Belege fragen Sie bei der kölner Polizei nach und #Einzelfall gibt es immer noch @freddynasevoll @landhaustussy
— Не грустный собак (@StenRostov) March 29, 2016
Schon der Account an sich wirft eine Frage auf: Worum geht es hier eigentlich? Um Straftaten? Wohl kaum. Sonst würde man sich nicht auf eine einzelne Gruppe krimineller beschränken. Es geht also um die Diskriminierung und Rassismus. Auch der folgende Tweet versucht sich in der gleichen Übung:
@HerrSchwarz1 @StenRostov @landhaustussy das ist einer von 500 Syrern
— freddynasevoll (@freddynasevoll) March 28, 2016
Die Behauptung alle Muslime oder fast alle Muslime seien kriminell (Krimigranten) ist ziemlicher Unsinn. Spiegelt doch bisher keine Polizeistatistik einen Anstieg in relativen Zahlen wieder:
- Zusammenfassung der Vorstellung des Ulmer Polizeibericht
- Das Bundeskriminalamt weiß ähnliches zu Berichten
- Auch in Nordhausen wird dies bestätigt, der Bericht weißt dagegen explizit auf rechte Straftaten hin
- Wenn das Handelsblatt mit einem Anstieg der absoluten Zahlen Panik machen will vergisst es dabei, dass Flüchtlinge relativ betrachtet nicht mehr Straftaten begehen, als Einheimische
- Die Polizei musste außerdem klarstellen, dass manch eine Geschichte in der Flüchtlinge Straftaten begehen frei erfunden ist
“Die Tendenzaussagen des Lagebildes zeigen: Es gibt durch Asylbewerber und Flüchtlinge keinen überproportionalen Anstieg der Kriminalität”
Ja, auch Flüchtlinge begehen Straftaten. Und ja, in absoluten Zahlen steigt die Zahl der Straftaten durch den Zuzug von Flüchtlingen. Aber sollten wir deswegen alle Flüchtlinge abweisen? Nur weil sie möglicherweise Straftaten begehen? Und das mit einer ähnlichen Wahrscheinlichkeit, wie ein Deutscher? Ich denke nein.
Keine Sprengstoffanschläge
Die Behauptung es hätte in Deutschland keine Sprengstoffanschläge gegeben wurde auch aufgestellt:
@HerrSchwarz1 @landhaustussy @vilimsky hier gab es noch keinen Sprengstoffanschlag.
— freddynasevoll (@freddynasevoll) March 28, 2016
@HerrSchwarz1 @landhaustussy @vilimsky die einzigen Sprengsätze kommen von der Politik und den Medien
— freddynasevoll (@freddynasevoll) March 28, 2016
Mir ist in diesem Fall eine Ungenauigkeit unterlaufen: Sprengstoffanschläge gehören tatsächlich nicht zum Alltag. Meist handelt es sich “nur” um Brandanschläge. Trotzdessen hat es geplante und durchgeführte Sprengstoffanschläge gegeben und die Aussage, es hätte keine Sprengstoffanschläge gegeben ist falsch:
- Oliver Rösch wirft am 31.08.2013 einen Sprengsatz auf Demoteilnehmer in Dortmund, sechs Verletzte
- Unbekannte verüben am 13.02.2015 einen Sprengstoffanschlag auf ein Flüchtlingsheim in Freiberg, sieben Verletzte
- Sprengstoffanschlag auf das Auto eines Linken Politikers am 27.07.2015 in Freital, sowie zwei weitere Anschläge am 27.09.2015 und am 01.11.2015 auch in Freital
- Anschläge in Dresden am 18. und 19.10.2015
- Brand Erbisdorf am 01.01.2015 und am 22.04.2015
- In Heidenau wurden am 24.08.2015 Polizisten mit Sprengsätzen beworfen
- Jüteborg 20.11.2015
- Versuchter Terroristischer Anschlag auf das Jüdische Kulturzentrum in München (geplant für den 09.11.2003)
Eine Weitere Quelle für die genannten Anschläge bzw. den Anschlagsversuch. Insgesamt “200 Straftaten mit Spreng- und Brandvorrichtungen in 2015” wurden verübt. Das hier ein Problem und Handlungsbedarf besteht ist aus meiner Sicht eindeutig. Die folgende Aussage, rechte Gewalt sei marginal stufe ich daher als falsch ein. Schon deswegen, weil mir die schiere Zahl Angst macht.
@HerrSchwarz1 @landhaustussy @vilimsky rechte Gewalt ist marginal,läßt sich ohne Verfassungsschutz gutcbekämpfen.MASSEanMuslime macht sorgen
— freddynasevoll (@freddynasevoll) March 28, 2016
Muslime haben dagegen bisher keinen erfolgreichen Anschlag in Deutschland durchgeführt. Ja, es ist wohl nur eine Frage der Zeit, bis dies passiert. Und die Anschläge in Frankreich und Belgien betreffen auch uns. Aber deswegen alle Muslime unter Generalverdacht zu stellen ist dumm. Warum? Weil so die Gesellschaft in “uns” und “die” gespalten wird und man die Muslime in Richtung der Terroristen drängt (ähnliche Argumentation zum Thema Bomben auf den IS). Man sollte Menschen auch nicht in die rechte Ecke stellen, weil sie dort bereits sehnsüchtig erwartet werden.
Religion ist immer die gleiche
Der Islam wird, ohne zu differenzieren, als monolithische Religion, ohne Interpretierbarkeit und Facetten dargestellt.
@HerrSchwarz1 @landhaustussy @vilimsky Moment mal!Die Religion ist immer die gleiche,auch wenn die Köpfe nicht abschlagen,dass Ziel ist klar
— freddynasevoll (@freddynasevoll) March 28, 2016
Dem ist aber mitnichten so. Der Islam besteht aus vielen verschiedenen Strömungen. Die beiden größten und bekannten Gruppierungen innerhalb des Islam sind die Suniten und Schiiten, es gibt darüber hinaus:
- Die Ibaditen, die einer eigenen Rechtsschule folgen und keiner der beiden großen Strömungen zugerechnet werden können. Sie gehen auf die Chawaridsch und sind vor allem im Oman zu Hause
- Als Teil der Sunnitischen Bewegung gelten die Salafisten, die in Deutschland bereits als radikal aufgefallen sind
- Der Sufismus, der asketische Tendenzen aufweist
- Die Wahhabiten, die vor allem in Saudi Arabien leben lehnen den Sufismus, den Kalam und den schiitischen Islam ab
- Die Zaiditen bilden eine Unterströmung der Schiiten
- Darüber hinaus gibt es zahlreiche weitere Strömungen, Gruppierungen und sicherlich auch radikale Sekten (wie in jeder Religion)
Letztendlich kann man sich das ähnlich, wie Katholiken, Protestanten und andere Gruppierungen, wie der Griechisch- oder Russisch-Orthodoxen Kirche vorstellen. Und niemand wird auf die Idee kommen eine Aussage des Papstes der evangelischen Kirche anzulasten. Diese Gruppierungen werden also, trotz ihrer gemeinsamen Grundlage, nicht in einen Topf geworfen.
Die verschiedenen Gruppierungen im Islam leben Ihre Religion, ähnlich wie die verschiedenen christlichen Strömungen, sehr unterschiedlich aus. Und auch Islam gibt es Menschen, die Ihre Religion strenger ausleben und solche, die nur auf dem Papier Moslem sind (z.B. Hamed Abdel-Samad). Ein beliebtes Argument, das vermeintlich legitimiert alle Muslime in einen Topf zu werfen ist der Koran, der als Grundlage aller Strömungen gewaltsam sei und Gewalt, insbesondere gegen ungläubige legitimiere. Dies wird hier z.B. schön dargestellt:
Nun ist es also offensichtlich so, dass die Bibel nicht weniger gewalttätig ist. Auch im Neuen Testament. Wenn man also 1,6 Milliarden Menschen auf Ihre Zugehörigkeit zum Islam reduziert und eine weitere Differenzierung für unnötig hält kann das eigentlich nur als rassistisch und fremdenfeindlich eingestuft werden. Jetzt kommt natürlich der Einwand, dass der Islam ja keine Rasse ist und das deswegen nicht rassistisch sein kann. Eine einheitliche Definition des Begriffs gibt nicht, .Daher hier kurz einige Definitionen des Wortes Rassismus:
Rassistisch ist jede Praxis, welche Menschen diskriminiert, beleidigt, bedroht, verleumdet oder an Leib und Leben gefährdet wegen
- gruppenbezogener körperlicher Merkmale (wie Hautfarbe)
- und/oder ihrer ethnischen bzw. nationalen Herkunft
- und/oder bestimmter kultureller Merkmale (wie Sprache, Religion, Lebensstil oder Namen).
Die UN definiert Rassismus wie folgt:
In diesem Übereinkommen bezeichnet der Ausdruck “Rassendiskriminierung” jede auf der Rasse, der Hautfarbe, der Abstammung, dem nationalen Ursprung oder dem Volkstum beruhende Unterscheidung, Ausschließung, Beschränkung oder Bevorzugung, die zum Ziel oder zur Folge hat, dass dadurch ein gleichberechtigtes Anerkennen, Genießen oder Ausüben von Menschenrechten und Grundfreiheiten im politischen, wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen oder jedem sonstigen Bereich des öffentlichen Lebens vereitelt oder beeinträchtigt wird.